In seinem Grundsatzurteil vom 07.05.2014, AZ. IV ZR 76/11 hat der BGH gem. der EuGH-Entscheidung vom 19.12.2013, Az. C-209/12 den Grundstein für die Rückabwicklung von Lebensversicherungen gelegt.
Mittlerweile ist die Rechtsprechung des BGH in mehr als 100 Folgeurteilen gefestigt.
Etwa 60% aller Kunden, die zwischen dem 29.07.1994 und dem 31.12.2007 in Deutschland eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, können ihrem Vertrag heute noch widersprechen.
Grund dafür ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05/2016.
Damit bestätigte das oberste deutsche Gericht zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2015 (BGH, Urteil vom 07.05.2014 – AZ. IV ZR 76/11; BGH, Urteil vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14), mit denen der BGH das Widerrufsrecht der Kunden bei Verstößen gegen die Vertragsbedingungen stärkte.
Folgendes hierzu:
Obwohl die eigentliche Frist für einen Widerruf 14 Tage nach Vertragsabschluss eigentlich verstrichen war, besteht bei vielen Policen auch heute noch ein Widerrufsrecht. Dies wird auf fehlerhafte Belehrungen der Versicherer zurückgeführt.
Welche Versicherungen sind besonders betroffen?
Besonders viele strittige Policen gibt es u.a. bei der Nürnberger Lebensversicherung, der Provinzial, der R+V Kapitalversicherung. Aber auch andere Versicherungen können betroffen sein.
Ob die formellen Anforderungen erfüllt sind, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
Ein Anspruch auf Rückabwicklung haben auch Kunden, die schon vor Jahren aus den Policen ausgestiegen sind, selbst wenn sie damals einen Rückkaufswert erhalten haben, können sie das entgangene Geld nachträglich einfordern, wenn der Erlös aus der Rückabwicklung den Rückkaufswert übersteigt.
Welche Vorteile hat ein Widerruf für die Kunden?
Diese können sich von einer teuren Lebensversicherung trennen und viel Geld sparen. Auch Kunden, die ihre Versicherung vorzeitig zu Geld machen wollen, sollten von dem Widerrufsrecht Gebrauch machen, anstatt einfach zu kündigen.
Lohnt sich ein Widerruf immer?
Nein, manchmal ist ein Widerruf nicht empfehlenswert, da viele alte Versicherungsverträge noch eine attraktive Garantieverzinsung von bis zu 4% aufweisen. Verbraucher sollten daher vor dem Widerruf genau prüfen, ob ihre Police schon in der Gewinnzone ist und sich überlegen, ob überlegen, ob sie das zu erwartende Geld aus der Rückabwicklung anderswo ähnlich rentabel anlegen können. Können sie das nicht und besteht kein akuter Geldbedarf, kann es sinnvoll sein, den Vertrag fortzuführen.
Was ist am Widerruf interessant?
Generell sind die Überschussanteile in den vergangenen Jahren gesunken. Besonders hart traf es fondgebundene Lebensversicherungen, mit denen die Versicherer damals gerne lockten. Durch die Verknüpfung der Versicherungssumme mit Aktienfonds wurden den Kunden höhere Gewinne in Aussicht gestellt.
In der Praxis trat jedoch das Gegenteil ein:
Wer vor dem Jahr 2000 eine solche Police abschloss, musste in den folgenden 10 Jahren gleich zwei Crash verkraften, 2008 und 2010. Davon erholten sich viele Fondspolicen nicht mehr.
Der Abschluss solcher Lebensversicherungen war für viele Verbraucher ein Fehler.
Ist ein Widerruf besser als eine Kündigung?
Ja. Die Kündigung einer Lebensversicherung ist zumeist nicht sinnvoll, da die zurück erhaltene Summe – der sogenannte Restwert – nur einem Bruchteil der eingezahlten Beträge entspricht. Das Ausnutzen des Widerspruchsrechts muss die Versicherung dagegen die gesamte Police rückabwickeln. Dadurch erhält der Kunde nahezu alle gezahlten Beiträge zurück.
Was müssen Kunden tun, die bereits vor Jahren aus ihrem Vertrag ausgestiegen sind?
Das Vorgehen ist dasselbe wie bei laufenden Verträgen. Die Kunden müssen beim Versicherer Widerspruch einlegen und ihre Beiträge zurückfordern. Zudem haben sie Anspruch auf eine angemessene Verzinsung. Viele Versicherer reagieren darauf nicht. Deshalb ist in vielen Fällen eine gerichtliche Klage notwendig.